Joachim Rathke

Regie – Schauspiel – Produktion


AMPHITRYON

Moliere; Übersetzung: Nora Dirisamer


Eine Produktion des Volkstheaters Wien; nach der Urfassung von Moliere

Kritik (Online-Merkur)

Danke, liebe Volkstheater-Dramaturgie. Nach zahllosen Aufführungen der „Amphitryon“-Version des hoch geschätzten Heinrich von Kleist unter hierzulande totaler Vernachlässigung der Molière-Fassung des Stoffes, hat man diese nun endlich einmal angesetzt. (…) Es ist immer noch ein kleines Meisterstück – und es erfährt hier eine prächtige Umsetzung. (…)

Kurz, da ist auch im Molière-Stück genug drin an Irrungen und Wirrungen des menschlichen Herzens, an Commedia dell’arte-Verwechslungen, an Pirandellesken Fragen nach der Wahrheit und Identität und in dieser Inszenierung auch an einer echt Feydeau’schen Betrugs- und Turbulenzen-Posse: Regisseur Joachim Rathke, der sich erstmals in Wien vorstellt, hat das etwas Famoses und sehr Komisches auf die Bühne gebracht.

Martina Stilp hat – obwohl sie sich zwischen der Maria Stuart und dem „Präsidentinnen“-Mariedl über Mangel an großen Aufgaben nicht beschweren kann – ihre bisher beste Rolle am Volkstheater gefunden. Die teils lüsterne, teils schmollende, teils tobende, teils ratlose Alkmene ist ein so reizvolles Weibchen, wie sie es noch nie sein durfte, und dabei für die Männerwelt eine wohl ebenso angsterregende wie begehrenswerte Persönlichkeit. Was will man mehr?

Bei den Herren ist es Matthias Mamedof, der als zappliger Sosias mit der drolligen Darlegung seiner Probleme haushoch den Vogel abschießt. Immerhin macht Rafael Schuchter als Merkur ihn sehr gut nach. Als Jupiter lässt Thomas Groß männliche Eitelkeit sprühen (er ist auch attraktiv genug), als Amphitryon grumpelt Roman Schmelzer männliche Ratlosigkeit angesichts des weiblichen Geschlechts. Andrea Bröderbauer spielt besser Theater als Ziehharmonika, hat es aber zwecks Musikbegleitung des Abends auf sich genommen.

Die freche, flotte, ganz auf heutige Menschen zugeschnittene Übersetzung von Nora Dirisamer rückt das Stück samt der Inszenierung ganz nahe ans Publikum. Allzu seelentief und ernst wie bei Kleist braucht man es, Ach!, nicht zu nehmen… Dafür ist es lustiger.

Heiner Wesemann